Corneliu Dan Georgescu: Wolken Wellen Sand (1996/2004)
für Mezzosopran, präpariertes Klavier, Schlagzeuger und Elektronik
auf Gedichte im Haiku-Stil von Christoph Niess
"Wolken Wellen Sand" vertont drei Gedichte in Haiku-Stil des Malers und Dichters Christoph Niess, ist also
unmittelbar von ihm inspiriert, sowie andere Werke wie "NordSeeHorizonte", "
umbra lucida" für Trio und Elektronik oder "Ende ein Anfang" von anderen seiner Bilder-Zyklen inspiriert wurden.
Das interessanteste an unserer Zusammenarbeit ist vielleicht zu sehen, wie einige beträchtliche Unterschiede zwischen
uns stets positiv gewirkt haben. So ist Niess grundsätzlich - aus meinem Gesichtspunkt - ein typisch nordischer
Expressionist, seine Zeichnungen und insbesonders früheren Malereien sind intens, fast grotesk, sie „schreien”, suchen
sich gespannt die Formen in einem Virbel von disparaten Farben, unbeendeten Figuren, kontorsionierten, kraftvollen,
manchmal widerspruchliche aber stets spontane, überraschende Gesten und Linien. Ich dagegen gehöre zu einer
Mediteraneer Tradition, bei mir überwiegen der Geschmack für Struktur, Gleichgewicht, Harmonie; einfache
geometrische Figuren sowie Zahlen sind für mich das Wesen selbst der Dinge, der Minimalismus eine innere
Notwendigkeit, damit jede Idee einen klaren Sinn hat. Niess stützt sich gerne auf reinem Improvisieren, ich dagegen
auf dem algorithmischen Denken des Computers. Sicherlich übertreibe ich ein wenig die Unterschiede zwischen uns,
die uns nie gestört haben, uns perfekt zu verstehen, ganz im Gegenteil: Unser Verständnis auf künstlerischer Ebene war
ohnehin sofort und und viel tiefer als stilistische Orientierungen oder auch temperamentbedingte Arbeitsprinzipien.
Außer einer Einstellung zur Kunst im allgemeinen (z.B. Unabhängigkeit von Moden aller Art), verspüren wir beide
viel Liebe und Respekt für die Natur und für die großen Kunsttraditionen Asiens. So haben wir einen gemeinsamen
Weg für solche Ideen gefunden, wie in NordSeeHorizonte oder Haiku Echo - Wort Bild Klang
Der zentrale Begriff in "Wolken-Wellen-Sand" ist die Welle (Wolken sind auch eine Art Wellen, wie auch Sanddünen).
Hier kann man sowohl wilde Kraft und Schwung als auch Symetrie, Periodizität, Ordnung sehen. Eine Welle kann
ästhethisch kontempliert und als Modell für Musikgestaltung genommen werden, nicht nur rein klanglich, als
Geräusch, was ich übrigens auch immer schön fand, sondern auch z.B. für schwankende melodische Linien oder für
eine wellenartige, "zeitlose", durch ihre zyklischen aber nie gleich wiederkehrenden Strukturen gezielt anscheinend
unbestimmte, verirrende Form. Mit diesem Begriff sind (für mich) weitere auch Begriffe wie Ruhe, Frieden,
Gelassenheit, einigermaßen Vergessenheit und Resignation gebunden.